DIE ÄRA HELLMANN AB 1972

Dieser Teil der Chronik wurde 2002 zum 100-jährigen ULK-Jubiläum veröffentlicht. 

Zum vorherhigen Kapitel: Der ULK von 1952 bis 1972

Mit Matthias Heilmann übernahm 1972 ein mittlerweile erfahrener Büttenredner und vielfältig engagierter Jülicher Bürger die Präsidentschaft und damit die Verantwortung den ULK weiterzuführen. Der Feinkosthändler und Jülich-10-„Funktionär” war als Stadtverordneter lokalpolitisch aktiv, genoss eine große innerstädtische Popularität und Beliebtheit. Mit ihm an der Spitze und seinem „Vize” Berthold Rey leitete sich der nächste Generationswechsel ein, der den ULK bis zum 100. Geburtstag 2002 prägte. 1972 gab es weitere, wichtige personelle Veränderungen. Auf Linus Wiederholt, der seit 1968 Senatspräsident war, folgte Sparkassendirektor Clemens Bartholdus in dieser Funktion.

Der Wandel im ULK vollzog sich nun Schlag auf Schlag. Karl-Wilhelm Johnen wurde neuer Literat und hatte, durch die von seinem Bruder Paul aufgebaute Verbindung zur Ehrengarde der Stadt Köln, Zugang zu vielen karnevalistischen Ereignissen, auf denen er neue und alte Größen des rheinischen Karnevals kennenlernte. Schatzmeister – oder auch “ULK-Finanzminister” – wurde Hans-Karl Stärk, Sohn des Alterspräsidenten Heinz Stärk und damit Nachfolger von Theo Delonge. Zum Geschäftsführer wurde Toni Dürbaum gewählt. Das technische Team, Helmut Jülicher und Robert Lafos, verantwortlich für Bühnenauf und -abbau und den Kinderzug blieb unverändert. 

Auch im Sitzungsablauf gab es Veränderungen. Die Funktion des Zeremonienmeisters, damals Ewald Mehl, wurde „auf Eis ” gelegt. Er war Nachfolger von Fritz Mattonett, der in seiner stolzen und unnahbaren Art manch lauten Saal, ganz im Sinne der darbietenden Künstler, zur Ruhe brachte. Zwei „Adjutanten” – Hubert Ross und Jochen Köntges – übernahmen den Bühnendienst, das Fahnenschwenken beim Einzug des Elferrates und die Künstlereskorte durch den Saal.

Das altbewährte Konzept aus der Kombination eigener Kräfte und bekannter Kölner und rheinischer Karnevalsgrößen wurde beibehalten. Zu den Reden der ULK-Eigengewächse kamen Tanzdarbietungen der Elferratsfrauen. Die Nachfrage nach Sitzungskarten wurde so groß und die neue Stadthalle wurde für den wachsenden Senat alsbald zu klein, dass der ULK erfolgreich über einen langen Zeitraum zwei Sitzungen pro Session abhielt.

Diese Attraktivität hatte viele Ursachen. Erwähnenswert sei hier, dass Karl-Wilhelm Johnen als Literat auch gerne einmal Neuland betrat.  Dies tat er unter anderem auch zur Sitzung am 27. Januar 1973 mit der Verpflichtung einer jungen und wilden Gruppe Kölner Musiker, die mit selbst gedichteten Texten und Melodien die Stadthalle im Sturm eroberte. Die Bläck Fööss, blieben dem ULK lange Jahre treu und kamen auch Jahrzehnte später gerne in die Herzogstadt zurück.

Am 30. Januar 1973 schrieb Hubert Bücher für die „Jülicher Volkszeitung” in seiner Sitzungsrückschau dazu:

 ,,Wenn wir nun den Gästen den Vortritt lassen, dann gebührt den erstmalig in Jülich weilenden „Bläck  Fööss” ein besonderes Wort der Erwähnung. Nachdem ich diese Gruppe nunmehr persönlich kennenlernte, ist es mir umso weniger verständlich, dass es gestandenen Kölner Präsidenten bzw. Literaten immer noch schwerfällt, diese prächtige Gruppe entsprechend zu präsentieren. Diese acht kölsche Jungen haben doch eine Form gefunden, die dem „Fastelovend” auch gegenüber dem Skeptiker Zukunft garantiert. Diese Burschen gewinnen nach meiner Auffassung bei ihrem Auftritt eine Schlacht nach zwei Seiten. Sie erhalten der Fastnacht Werte wie Witz, Herz und Gemüt und dokumentieren andererseits, dass Jugendliche im modernen Habitus, wie jeder andere, nach dem Kern ihres Wesens zu beurteilen sind. Und in dieser Beziehung schienen mir die Jungen sogar vorbildlich zu sein. Dass sie sich nicht ganz ins überkommene aber ja wohl auch zum Teil überholte Auftrittszeremoniell pressen lassen, macht sie mir nur noch sympathischer.”

Legenden wie Kurt Lauterbach, Das Eilemann Trio, Willi Millowitsch, Lotti Krekel, Gerd Rück als Weltenbummler, die Höhner, die Paveier, Rolf Stelter als Werbefachmann, das Rumpelstilzchen, die Räuber, alle Kölner Traditionsgarden und viele, viele mehr begeisterten das ULK-Narrenvolk in jedem Jahr neu.

Gesellschaftliche Entwicklungen machen nicht halt vor dem ULK. Die einsetzende Frauenbewegung bewegte und bereicherte auch den ULK-Senat. Mit Carla Imdahl kam in der Session 1980 die erste Dame in den Senat. Viele Senatorinnen folgten bis heute ihrem Beispiel und Carla bleibt damit immer Teil der ULK-Geschichte.

Die weibliche Seite des ULK-Kleiner Rates trat in den frühen Jahren der Präsidentschaft von Matthias Hellmann auch auf der Bühne in das Rampenlicht. So tanzten die Ehefrauen in den Jahren 1975 als Badenixen, 1976 zum Motto „Alt-Berlin”, 1977 als Schusterjungen und 1978 letztmalig einen ,,Zigeunertanz”. Die Choreografie übernahm der Ballettmeister der Kölner Oper, Peter Schnitzler mit tatkräftiger, aber sanfter Unterstützung seiner Frau Hilde. Peter wurde Jahrzehnte später Ehrenballettmeister der KG ULK.

Unter seiner Leitung wurde in der Sitzung 1986 als Schlussnummer der Franzosentanz aufgeführt. Die Besetzung bestand aus Mitgliedern des Elferrates, deren Töchtern und Söhnen und wenigen handverlesen Senatorinnen und Senatoren. Das ULK-Ballett wurde 20 Jahre lang ein fester Bestandteil der Sitzung und das Publikum fieberte dieser Aufführung immer entgegen. Die Auftritte sprengten so manchen Programmablauf, da die begeisterten Zuschauer die Tänzer nicht ohne Zugabe(n) von der Bühne gehen lassen wollten. Auf einer Sitzung trat das Ballett als vorletzter Programmpunkt auf und begeisterte dermaßen, dass die eigentlich letzte Gruppe, die berühmten „Höhner“ aus Köln, unverrichteter Dinge und aus Termindruck wieder abzogen.

Der Literat Karl-Wilhelm Johnen lernte daraus und setzte fortan, um den Zugabe-Rufen des Publikums gerecht zu werden, das Ballett immer ganz an das Ende von Sitzung oder erster Halbzeit.

Ein weiterer Höhepunkt im ULK-Kalender ist das Senatsfest Rot Weiß. Gefeiert wird am ersten Samstag  ab dem 11.11.. Haus Hesselmann, das Hotel Kaiserhof, das Technologiezentrum, das Seecasino im Forschungszentrum, in der Stadthalle und im Casino Niederzier wurden diese festlichen Abende abgehalten. Diese Veranstaltung, in Abendgarderobe und in Begleitung von Tanz- und Partymusik ist in Jülich ein Topereignis. Auf diesem Fest werden seit vielen Jahren die neuen Senatorinnen und Senatoren vorgestellt und die Aufnahmen in den Jugendsenat bekannt gemacht. Alle anwesenden zahlenden Mitglieder der KG bekommen an diesem Abend den Jahresorden überreicht.

Am Karnevalssamstag wurde in diesen Zeiten das ULK-Kostümfest im Haus Hesselmann  abgehalten. In Glanzzeiten zog es 150 bis 200 Jecke über die Rur. Im großen Saal wurde getanzt. Kleine schummerige Sektbars im Keller und die anderen Räumlichkeiten, luden karnevalistisch hergerichtet zum Feiern bis in den Morgen ein. Der ULK prämierte eine Zeitlang die besten Kostüme. Höhepunkt war einmal der Hauptpreis, eine Reise nach New York. Mit dem Ende von Haus Hesselmann wurde der Kostümball ins Vereinslokal zum Einhorn verlegt, hatte aber dort nicht lange bestand und wurde erst unter Senatspräsident Thomas Gissler-Weber im Jahr 2002 wiederbelebt.

1984 gab es eine weitere Neuerung, vorgeschlagen und eingeführt von Egbert Samans: die “ULK-Exerzitien”, die seitdem stattfinden. Eine jährliche Wochenendtour nach Sessionsende, bei der der Kleine Rate sich außerhalb von Jülich zurückzieht. Hier wird die vergangene Session selbstkritisch diskutiert, der Vorstand entlastet, Personalien sowie Neuaufnahmen geklärt, aber auch viel gelacht und bis in den Morgen geklönt. Eine ULK-typische Form der Jahreshauptversammlung als Rückschau und Ausblick. Auf den Exerzitien wurde beispielsweise Anfang der Neunziger die Idee einer Radtour geboren, damit die Zeit zwischen den Sessionen für die ULK-Familie nicht zu lang wird.

Mit Stefan Stärk und Frank Lafos (Sohn von Hans Lafos und bereits jahrelang als “Adjutant” aktiv) wurde in der Session 1986/19987 der nächste Generationswechsel eingeleitet. Dieser Schritt und die Aufnahmen weiterer junger Mitglieder in den Kleinen Rat – alle um die 30 Jahre alt – wurde bis zum Jahrtausendwechsel das junge und frische Fundament der Gesellschaft aufgebaut. Elmar Fuchs, Frank Lieth und Frank Müller wurden langjährige Zeremonienmeister. Alle wurden auch später Mitglieder im Kleinen Rat. Dr. Jürgen Elsen, Schwiegersohn von Matthias Hellmann, unterstützte Karl-Wilhelm Johnen als Literat. Thomas Kraus wurde zweiter Mann an der Kasse und von Rolf Schröder an diese verantwortungsvolle Aufgabe herangeführt. Luc Rey und Frank Lafos verantworten die Erstellung des ULK-Heftes. Theo Prümper übergab mit seiner Entscheidung inaktives Mitglied im Kleinen Rat zu werden die Ordenserstellung an Frank Lafos.

Manfred Vogels übernahm von Toni Dürbaum die Geschäftsführung. Mit geschickter Nachhaltigkeit und Diplomatie, sowie unermüdlicher Hilfe seiner Frau “Irmchen” erstellte er die Sitzordnung zur Sitzung. Hervorzuheben ist dabei, dass die Zuteilung der Plätze sich nach den Wünschen der Gäste richtete. Zusätzlich verwaltet der Geschäftsführer die ULK-Kartei und ist für die ULK-Post zuständig. Trotz eMail und sozialer Netzwerke werden alle ULK-Mitglieder inkl. Jugendsenat mehrmals im Jahr persönlich per Post angeschrieben. Dabei kommen schnell mehrere Hundert Briefe zusammen.

Darüber hinaus war Manni unser Mann, wenn es um das „große Ornat“ ging. Die Kleidung, die der Kleine Rat als Elferrat auf der Bühne bei der Sitzung oder zu anderen festlichen und offiziellen karnevalistischen Anlässen trägt.

Hans Lafos – langjähriger Kinderzug Minister – übergab 1991 das Amt an Dieter Buntenbruch, der mit Guido Dohmen und Berthold “Männe” Hompesch fleißige Mitstreiter fand. „Onkel Dieter“ zog sich 2010 zurück und mit Thomas Hilger, Lars Zopp und Carsten Buntenbruch übernahmen versierte Handwerker diese Aufgabe.

Unter Matthias Hellmann stieg ein neuer Rednerstern auf. Heinz-Gerd “Heino” Bücher, Elektromeister und Mundartkenner setzte mit seinen in Reimform vorgetragenen Beiträgen eine sehr alte ULK-Tradition fort. Rheinischer Mutterwitz gepaart mit Nadelstichen gegen die “herrschende Klasse” – nicht selten auch die holde Weiblichkeit – zeichneten seine immer in Reimform vorgetragenen Reden aus. In den Sitzungen unter Matthias Hellmann und auch noch lange danach war eine ULK-Sitzung ohne eine Rede von Heino nicht denkbar. Insgesamt absolvierte er 30 Auftritte. Auch Jürgen Kreuzer, Rechtsanwalt und in seiner Jugend politisch aktiv, stieg als Rednercharakter “Jülicher Kehrmännchen” in die Bütt. Auch der spätere Bürgermeister und Finanzbeamte Axel Fuchs konnte einige Male mit seinen kritischen Beobachtungen das Publikum humorvoll unterhalten. 

Die Amtszeit von Matthias Hellmann von 1972 bis 2002 ist durch eine äußerst positive Statistik geprägt. Seine wichtigste Leistung, neben vielem anderen ist die stete Verjüngung des ULKs weitsichtig voranzutreiben. Er wirkte generationsübergreifend und war für jeden Ulkigen Zitgenossen ansprechbar.

 ElferratsmitgliederSenatsmitglieder*
19722167
200230118
*inkl. Mitglieder Senatsauschuss

Zur Session 2002 – also zum 100. Jubiläum des KG ULK tritt „Mättes” Hellmann vom Präsidentenamt zurück. Er verabschiedete sich im Ulk Heft – typisch für ihn – mit einem bescheidenen „Halbsatz”:

Mit meinem letzten Grußwort nach dreißig Jahren müsste ich Ihnen noch einiges schreiben. Ich werde es Ihnen heute Abend sagen!

Matthias Hellman wurde mit seinen vielen Verdiensten 2002 zum Ehrenpräsidenten der Gesellschaft ernannt. Nach dem Tod seiner Frau Wiltrud im Jahr 2017 zog sich Matthias immer mehr zurück und starb am 28.11.2021 mit 88 Jahren. Der Nachruf im Jülicher Herzog Magazin vom 19.12.2021 beschreibt sein karnevalistisches Wirken wie folgt:

„Erzähltalent, Wortwitz, Schlagfertigkeit gehörten zu seinen Tugenden,… „Mättes“, wie ihn seine Freunde nannten, wurde 1958 in den kleinen Rat der KG Ulk Jülich aufgenommen und übernahm ab 1972 für 30 Jahre den Präsidentensitz. Als er 2002 das Amt an Jörg Bücher übergab, ernannte die Gesellschaft ihn zum Ehrenvorsitzenden. Hier gaben sich die Generationen die Hände – etwas, das die Präsidentschaft von Matthias Hellmann offenbar auszeichnete. Dieses Verbindende schilderte Axel Fuchs, damals wie heute nicht nur Ulk-Mitglied, sondern auch CCKG-Präsident, 2012 zum 111-Jubiläum der KG Ulk: Matthias Hellman habe gegenüber den Karnevalspunkern nicht die Nase gerümpft, sondern habe ihn zum Präsidentenkölsch an die Theke gebeten. Auf die Frage nach dem „warum?“ habe er mit diversen „Halbsätzen“, aber letztlich eindeutig geantwortet, weil in der Jugend die Zukunft liege.“

Zum nächsten Kapitel: Der ULK ab 2002 – Jörg Bücher wird Präsident