DER ULK VON 1952 BIS 1972
Dieser Teil der Chronik wurde 2002 zum 100-jährigen ULK-Jubiläum veröffentlicht.
Zum vorherigen Kapitel: 50 Jahre KG ULK Jülich

In den frühen fünfziger Jahren begann der vom Wöhles neu formierte Elferrat das gewichtige Erbe fortzusetzen. Es war Josef Fikentschers letzter großer Dienst an ,,seinem” ULK. Er übergab in einem feierlichen Akt im Jahre 1953 das Präsidentenamt an den Jülicher Kaufmann Heinz Stärk. Vater des späteren Elferrats-Mitglieds und Kassenwartes Hans-Karl Stärk, dessen Sohn Stefan die Tradition der Familie Stärk im Elferrat der KG ULK bis zu seinem plötzlichen Tod im Jahr 2022 insgesamt 70 Jahre lang fortsetzte. Stefan war 36 Jahre Mitglied im Kleinen Rat.
Ein trauriges Ereignis unterbrach jäh die junge Präsidentschaft von Heinz Stärk, seine Frau verstarb 1954. Erst 1958 hat er sein Amt wieder offiziell aufgenommen. Herbert Simons hat ihn in dieser Zeit vertreten.

Mehr als ein halbes Jahrhundert familiäre Zugehörigkeit und aktives Gesellschaftsleben ist nichts Außergewöhnliches für ULK-Mitglieder. Hier kann nahtlos mit weiteren Beispielen angeknüpft werden, die auch deutlich machen, dass die Mitgliedschaft im Kleinen Rat der KG ULK in den vertretenen Familien mehr als eine Herzensangelegenheit war und ist. So tauchen in der Liste der Mitglieder des Kleinen Rates bekannte Jülicher Familiennamen seit 1902 immer wieder mehrfach auf. Seit 1952 sind die Familien Johnen, Bücher, Rey, Stärk, Buntenbruch und Lafos dafür nur einige Beispiele. Es sind die Väter, deren Söhne und Schwiegersöhne den Weg zum ULK gefunden haben. Die harten Aufnahmekriterien (offene Abstimmung – ohne Gegenstimme) müssen sie trotzdem bewältigen.
Den ULK verjüngen und bereichern auch immer wieder Quereinsteiger. Dafür ist die Aufnahme in den Kleinen Rat an harte Rituale und Regeln gebunden. Sich als Interessent aufzudrängen funktioniert nicht. Beidseitige Sympathie, freundschaftliche Verbindungen und zuverlässige Präsenz bei den ULK-Veranstaltungen führen in der Regel dazu, dass ein Kandidat von einigen Mitgliedern des Kleinen Rates auf einer Mitgliederversammlung dem restlichen Kleinen Rat vorgeschlagen wird. Diese „Paten“ übernehmen dann die Aufgabe, den Kandidaten auf den vielen ULK-Veranstaltungen den Elferratsmitgliedern vorzustellen, damit diese sich ein Bild vom Neuling machen können. Eine andere Variante ist, dass Kleine-Rats-Mitglieder interessante Charaktere, die sich in irgendeiner Form (Kinderzug, Sitzungsvorbereitungen, Radtour) nachhaltig und aktiv eingebracht haben, ansprechen und dann im gegenseitigen Einvernehmen zur Abstimmung vorschlagen. Dabei wird auch darauf geachtet, ob die berufliche Qualifikation des Neulings sich für den ULK als nutzbringend erweisen könnte oder aber eine Affinität als Redner, Tänzer oder Sänger sichtbar ist. Letztlich wird erwartet, dass sich ein späteres Elferratsmitglied in die Aufgaben und Arbeiten rund um den ULK aktiv einbringt. Dieses transparente und doch sehr geschlossene Aufnahmeverfahren ist ein Grund für die Nachhaltigkeit des Erfolgs der KG ULK. Es ist die Mischung aus Familienbanden und neuen Charakteren, die den ULK lebendig halten.
Dass der Kleine Rat der KG ULK früher dem Elferrat entsprach, erscheint bei mehr als 30 Aktiven heute fast befremdlich. Im Jahre 1958, der ULK nun in der 56. Session, war die Anzahl der Mitglieder im Kleinen Rat in dieser Session letztmalig auf 11 Personen beschränkt. Dieser letzte echte Elferrat erweiterte sich dann und wuchs als Kleiner Rat bis 1972 auf 20 und 2023 auf 31 Mitglieder an.
Mit folgenden Aktiven stellte sich die Gesellschaft 1958 im Jahresheft vor:
Senatspräsident
Dr. med. Kurt Berchem
Vorstand und Kleiner Rat
Vorsitzender und Präsident | Heinz Stärk
Vizepräsident | Hans Schüßler
Literat | Adam Creutz
Geschäftsführer | Heinz Bünten
Schatzmeister | Carl Wolff
Heinz Heidmann, Max Sporbert, Fred Fikentscher, Toni Dürbaum, Theo Delonge, Willi Müller
Dr. Kurt Berchem war 1934 Nachfolger von Dr. Heinrich Hertz geworden, der Deutschland aus politischen Gründen verlassen musste und blieb ULK Senatspräsident bis 1967. Der ULK verstand es immer zu feiern. 1958 wird im .Jahresheft „Das Ballereignis Nr. 1 angekündigt. Unter dem Motto .Vom Biedermeier bis zum Rock and Rolr’ wurde zum Karnevalssamstag am 15. Februar eingeladen. Und so setzte sich die Tradition fort, die 50 Jahre vorher begonnen wurde.


Aber auch über die Grenzen von Jülich hinaus machte der ULK von sich reden. Mit der „ULK Flotille” wurde in den fünfziger Jahren eine Tanzgruppe ins Leben gerufen, die leider nur einige Sessionen existierte. Die Qualität der Darbietungen war legendär und man trat sogar bei den großen Kölner Sitzungen auf. Mitglieder der Gruppe waren u.a. die späteren Elferräte Matthias Hellmann, Toni Dürbaum, Hans Abels und Willi Krantz. In adretten Uniformen und mit eigener Standarte und mit Paddeln bewaffnet, wurde der ULK aus Jülich schmissig repräsentiert.
Ende Januar 1958 feierten in Bonn die „Sternschnuppen” ihre erste Prunksitzung. Eine Abordnung unter Führung von Präsident Heinz Stärk machte dem Präsidenten Kollegen Willi Dederichs ein ganz besonderes Geschenk: ein lebendiges Spanferkel als Glücksschwein. Mit den Worten: “Jülich war einst die Kornkammer des römischen Reiches, ist heute die Stadt der Deutschen Welle und des Atomreaktors aber immer noch mit de Buere verbunden.”
Ende der fünfziger und im Laufe der sechziger Jahre ist insbesondere die Familie Johnen hervorzuheben. Der damalige Landrat und Landtagpräsident Wilhelm Johnen, Notar in Jülich und genannt der „Herzog von Jülich” hatte vier Söhne, wovon drei den roten ULK-Frack trugen. Paul Elmar Johnen, Heinz Esch-Johnen und Karl-Wilhelm Johnen. 1964 übernahm Paul Elmar Johnen die Präsidentschaft von Heinz Stärk.
„Johnens Paul” verstand es hervorragend, den ULK mit seinen Veranstaltungen als den gesellschaftlichen Treffpunkt der Stadt Jülich zu formen. Er begann auch, den Senat der KG ULK zu vergrößern. Er legte den Fokus darauf, der Mitgleidschaft im ULK eine gewisse Exklusivität zu verleihen. Als Beispiel sind die zahlreichen Inhaber von Geschäftslokalen, Handwerker, Ärzte, Rechtsanwälte oder Apotheker aus der Jülicher Innenstadt zu nennen. Viele waren damals bereits Mitglied im Kleinen Rat, wie Rolf Schroeder (Schuhhaus Kall), Toni Dürbaum (Friseur), Egbert Samans (Optik Samans), Hans-Karl Stärk (Leder Stärk), Berthold Rey (Schlossplatz Apotheke), Matthias Hellman (Feinkost Hellmann). Diese Präsenz zog auch viele Senatoren an. Es war fast schon ein Muss, dem ULK in irgendeiner Form anzugehören, um seinem eigenen Stand in der Jülicher Geschäftswelt Ausdruck zu verleihen. Der Senat wuchs sehr schnell.
Im Jahresheft 1967 taucht erstmals eine Senatorenliste mit 43 Namen auf. Vorher wurden ausschließlich der Mitglieder des Senatsausschusses und der Senatspräsident namentlich erwähnt. Zwischenzeitlich war auch der Kleine Rat deutlich über die närrische Zahl Elf hinausgewachsen. Mittlerweile waren 20 stolze Jülicher Bürger Träger des roten Fracks. Mehr als die Hälfte von ihnen war damals ca. 40 Jahre oder jünger. Der Generationswechsel und der Bestand des ULKs konnte damit über die nächsten Jahrzehnte als garantiert angesehen werden, was sich dann ja auch tatsächlich bewahrheitet hat.
In diesen Zeiten wechselte oft die Lokation der ULK-Sitzungen. Wurden diese ab 1952 im Haus Hesselmann und später aus Platzgründen bis 1968 im Viktoriasaal abgehalten, fiel 1969, aus Mangel an eines Veranstaltungsortes, die Sitzung aus. 1970 wurde auf „fremdem” Boden, im Saal der Gaststätte Heinen in Kirchberg Sitzung gehalten. In der 69. Session, 1971, konnte der ULK dann erstmals in der von Senator Heinz Weden geplanten neuen Stadthalle tagen. Dieser Veranstaltungsort wurde, trotz der mittlerweile teilweise widrigen Umstände und Auflagen der Stadt Jülich, bis 2019 beibehalten.



2020, kurz vor der beginnenden Corona-Pandemie, feierte der ULK seine Sitzung in einem Zelt hinter Stadthalle. Die KG Rurblümchen hatten ein Veranstaltungszelt mit 600 Sitzplätzen aufbauen lassen und dies dem ULK als Austragungsort für die Sitzung zur Verfügung gestellt. Eine Woche vor der ULK-Sitzung wurde die Sitzung der Rurblümchen wegen Sicherheitsbedenken tragischerweise von der Jülicher Feuerwehr abgebrochen. Ein heftiger Wintersturm drohte das Zelt zum Einsturz zu bringen. Der ULK-Sitzung drohte ein ähnliches Schicksal, da auch an diesem Sonntag eine massive Unwetterfront aufzog, die sich glücklicherweise während der Sitzung abschwächte.
Die weitsichtige “Personalpolitik” von Paul Elmar Johnen und Heinz Stärk war es, karnevalsbegeisterte, junge, aber gestandene Männer für den ULK zu finden. Das ist bis heute ein offenes Geheimnis und Erfolgsrezept der KG ULK. Die späteren Garanten aus dieser Zeit standen für gestochen scharfe Reden und Plaudereien über den ULK und die Stadt oder auch die Bundespolitik. Namentlich: Toni Dürbaum, Berthold Rey und Matthias Hellmann. Drei Charaktere, die untrennbar mit mehr als 50 Jahren KG ULK – 1950er bis 2000er Jahre – in Verbindung stehen. Jeder für sich, mit einer ganz speziellen Art, hat mit seinen Vorträgen, vor allem die Interna der Stadt und der „ULK-Familie” aufs Korn genommen. Sie haben kein Blatt vor den Mund genommen, auf den Putz gehauen und den Karneval als Möglichkeit genutzt, „des Volkes Stimme” der lokalen Politikerriege nahe zu bringen. Viele Zeitungsberichte der damaligen Zeit beschreiben begeistert die feinsinnigen Wortspiele und Provokationen, die so manchem Lokalpolitiker im Narrenspiegel vorgehalten wurden. Nicht zuletzt hat der ULK den Hofnarren in seinem Wappen, der die Pflicht hat, der Obrigkeit durch seine Narrenfreiheit die Meinung zu sagen.

Das aufstrebende Nordviertel wurde bei Berthold Rey zum „Känguru Viertel – große Sprünge nix im Beutel“. Matthias Hellmann beschrieb Jülich als eine Insel zwischen den vielen Braunkohlegruben. Toni Dürbaums „ULK-Protokoll“ befasste sich sarkastisch humorvoll mit den Interna im Kleinen Rat.
Neben dem Sitzungskarneval hat sich der ULK von Beginn an im Festausschuss Jülicher Kinderkarneval engagiert. Der Kinderzug war und ist ein wichtiger Zugang zur ULK-Familie und zum Kleinen Rat. Mit originellen Ideen und handwerklichem Geschick und Fleiß wurde Monate vor dem Tulpensonntag bereits mit dem Wagenbau begonnen.
Mit großen Motivwagen in Anlehnung an bekannte Märchenfiguren wurden in den sechziger Jahren der Baron Münchhausen, Peterchens Mondfahrt, Hänsel und Gretel, der fliegende Teppich oder auch schon einmal eine Kamellefabrik dargestellt. Der „Zoch“ wurde zur guten Gelegenheit, den Senatorinnen und Senatoren und der ULK-Kinderschar die Tür in den ULK zu öffnen. Es waren die familiären Nachmittage im Hotel Kratz, im Anschluss an den Kinderzug am Tulpensonntag, den viele ältere Mitglieder der Gesellschaft noch heute in schöner Erinnerung haben. Die Kinder, gestärkt mit einer Flasche Kaiserperle Limonade und einem Würstchen mit Pommes Frites, spielten bis in die Nacht hinein auf der großen Hoteltreppe. Die Erwachsenen feierten unter sich im angrenzenden Gastraum. Viele der heutigen Elferratsmitglieder verbinden ihre ersten Erinnerungen an den Karneval im ULK mit diesen Nachmittagen.



Ab den siebziger Jahren verlegte der ULK sich auf die Bildung von Fußgruppen nach einem vorher festgelegten Motto. Dafür gab es zwei praktische Gründe: Einsereits gab es immer mehr Familien mit Kindern in der ULK-Familie, die gerne aktiv am Kinderzug teilnehmen wollten. Andererseits kamen die Teilnehmenden dem jecken Treiben am Zugrand immer näher. Die erste ULK-Fußgruppe war mehr als 50 „Hippies“ jeden Alters stark. Damit etablierte sich diese Form des Zugbeitrags im ULK bis heute.
Paul Elmar Johnen trat in der zweiten Hälfte der Präsidentschaft in die Fußstapfen seines Vaters und wurde Notar. Mit Dienstsitz in Köln konnte er seiner Rolle als ULK-Präsident nicht mehr ausreichend gerecht werden. Im Jubiläumsjahr 1972 übernahm Matthias Heilmann das Ruder auf dem Narrenschiff. Johnen verabschiedete sich mit den folgenden Worten.
,,Zu versprechen hoffe ich mich nicht, wenn ich hiermit und im Laufe dieser Sitzung von Ihnen allen Abschied nehme. Es kommt mir so vor, also ob ich mit diesen Worten und mit der Vorstellung, wie ich den persönlichen Abschied formulieren soll, plötzlich meine in Jülich verbrachte Jugend abstreife und erwachsen werde. Erwachsen sein in diesem Sinne bedeutet für mich, einen tatsächlich vor Jahren vollzogenen Abschied nun öffentlich anzuerkennen. Wir alle treffen ja doch gerne Entscheidungen, besonders die des Abschieds und des Aufhörens, in der Hoffnung oder zumindest der Erwartung, sie widerrufen oder zumindest aufschieben zu können. Ich verhehle nicht, dass mir die Entscheidung, mich von Jülich und dem ULK zu trennen – zwei Dinge, die für mich seit fünfzehn Jahren synonym sind – nicht leichtgefallen ist. Was mich trägt, ist die Hoffnung, der eine oder andere von Ihnen möge sagen, ich sei nicht ganz unnütz gewesen”.